Ich bin Mama, nicht Lehrkraft!

Montag und Dienstag sind nicht meine Tage. Ich hänge durch, lese verschiedene Dinge, trotte durch den Tag und rolle mich auf meiner Yogamatte planlos umher. Ich bin erschöpft - von was auch immer, vom Sein. An diesen Tagen schreibe ich lange Listen, mit Dingen die ich erledigen muss, kann, will und schaffe meistens nichts. Das frustriert mich ungemein. Ich denke dann, nichts schaffe ich, nichts kann ich, ich sieche dahin. Meine Lebenszeit vergeht, ohne dass ich was tue, um zu wachsen, Geld zu verdienen, anderen zu helfen. Es sind zwei Stunden am Tag, die ich so verbringe, denn dann kommt meine Tochter schon wieder aus der Schule und ich bin für die nächsten Stunden Lehrerin. Auch wenn ich versuche, in dieser Zeit zu arbeiten, gelingt mir das nicht. Mir fehlen diese Momente, in denen ich etwas tue, das für andere unsichtbar ist. Es scheint, ich arbeite nicht, wenn ich mich stundenlang durch Artikel scrolle oder die Zeitungen wälze, alles markiere und mir Notizen mache. Wenn ich im Wald auf einer Bank sitze und nur die Leute beobachte. Ich muss mich mit dem, um mich herum befassen: (be-)lauschen, lesen, schreiben, leben. Klar, ich mache das auch nebenbei, immerzu, bei jedem Plausch mit der NachbarIn, beim Schwatz mit der Kassiererin im Supermarkt, beim Telefonat mit Oma, aber manchmal reicht das nicht. Und zwei Stunden schon gar nicht. Meine Arbeit geht so eigentlich nicht, und das obwohl sie gerade erst begonnen hat. Ich liebe, was ich tue. Es macht mich glücklich, aber zwei Stunden reichen mir für mein Glück einfach nicht aus.

Jeden Tag Klassenarbeit?

In der Schule stellen unsere Kinder viele Fragen, erledigen Aufgaben gemeinsam und besprechen und vergleichen ihre Ergebnisse. Dafür ist Schule da. Wie soll das zu Hause gehen, wenn nicht Mama oder Papa die Antworten liefern? Wie soll ich auch nur einen Gedanken zu Wort bringen, wenn ich alle zehn Minuten etwas gefragt werde? Klar gibt es Tage, da arbeitet sie still 30 Minuten am Stück. Aber das ist von einer Grundschülerin schon viel verlangt. Danach ist sie so erschöpft, dass sie eine Pause machen möchte und das am liebsten nicht alleine. Jetzt haben wir Glück, ich hänge nicht ständig in einem digitalen Meeting, aber ich komme eben auch zu nichts. Denn ich möchte mein Kind ja nicht täglich das Gefühl einer Klassenarbeit vermitteln. Dann ist sie 45 Minuten still. Das kann nicht richtig sein. Außerdem wäre sie dann nachmittags so knülle, dass wir nicht mal mehr Rhabarber Crumble machen könnten. 

Seit ungefähr zwei Wochen hat sich in der Schule etwas verändert. Die Kinder haben jetzt auch wieder Musik, Kunst oder gar ein bisschen Sport. Das ist wunderbar, denn das sind die Fächer, bei denen Talente und Vorlieben entdeckt werden, wo die Kinder herausfinden können, was ihnen wirklich Spaß macht. Nun ist sie aber nur von 7.45 bis 10.05 Uhr in der Schule. In dieser Zeit haben sie eine Trommel gebastelt und Takte klopfen geübt. Das ist wunderbar und ich freue mich mit meinem Kind. Zusätzlich gibt es aber die Arbeitspläne für Deutsch, Mathe und Englisch. Es vergehen also Tage, da kommt sie aus der Schule und hat nichts davon erledigt. Aber ist immerhin sehr glücklich.

Mama muss lehren

Ich bin unglücklich, denn nun wurde uns auch noch das Tanzen (Musik) und Backen (Sachunterricht) genommen und wir sollten Pläne abarbeiten. Das trägt nicht zu unserem familiären Wohlbefinden bei. Im Gegenteil, wir streiten öfter, es gibt immer wieder Tränen. Oft versuche ich ihr neue Sachverhalte in Mathe zu erklären und stoße regelmäßig an meine Grenzen. Wenn ich die Lehrerin dazu befrage, sagt sie, das Schulkind soll in der Schule fragen. Das Schulkind sagt, die Lehrerin hat nie Zeit. Meine Tochter dürfte ihre Lehrerin auch anrufen. Wann denn, frage ich. Nachmittags oder abends ginge das, antwortet die Lehrerin. Dazu muss ich jetzt nichts mehr schreiben, oder?! Nachmittags ist Spielzeit, in der dritten Klasse sind Kinder acht Jahre alt, da wird herumgetobt, draußen im besten Fall. Und am Abend? Naja, wann soll das denn sein? Beim Zähneputzen? 

Ok, jetzt werde ich unfair, die Lehrkräfte können am Allerwenigsten dafür. Ich weiß das, ich war selber zwei Jahre in einer Schule tätig und ich war regelmäßig an meinem Limit. Und da war kein Corona. 

Apropos Corona, die Inzidenzen sehen längst besser aus, zumindest in Berlin. Hoffnung keimt auf, aber ich werde immer stumpfer und mutloser. Ich habe keine Lust mehr auf homeschooling, ich wünsche mir wieder einfach „nur“ Hausaufgaben. Ich will mich ja auch nicht beschweren, immerhin darf mein Kind in die Schule, das ist ja nicht überall der Fall. Ich kann aber nicht mehr! Diese Woche haben wir gar nichts für die Schule gemacht, es gab keinen Arbeitsplan. Soll ich mir den jetzt auch noch selber ausdenken? Das ist doch nicht mein Job. Ich bin die Mama. Ich verstehe das Leben nicht mehr. Ich bin müde.

Schleierwolken gucken

Stillstand.
Auf der Stelle treten.
Hilflos.
Machtlos.
Kein vorankommen.
Kraft geht aus.
Raus aus dem Corona-Tief.

Das sind Notizen, die ich mir diese Woche gemacht habe. Und dabei lag ich im Garten in der Sonne und schaute in den blauen Himmel. Der Wind war warm und ich sah seicht die Schleierwolken vorbei ziehen. Ich lag da so lange, bis ich einschlief, einfach so mitten am Tag. Das ist doch nicht normal, denke ich, als ich aufwache, weil Nachbars Katze um nicht herum streift. Vor einigen Jahren habe ich mal eine Psychotherapie gemacht, ich erwähnte es hier schon mehrfach, da sollte ich lernen, Wolken zu gucken. Das fällt mir jetzt ein. Ich habe mit Corona Wolken gucken gelernt, mein Therapeut wäre stolz auf mich. Aber ich fühle mich nicht stolz. Obwohl ich viel geschafft habe, sagt mein Mann. Was hab ich denn geschafft, frage ich die Schleierwolken in Gedanken. Normalerweise geht es mir sehr gut, wenn der Wind warm ist und ich im Schatten nicht friere, aber das rettet mich gerade nicht. Und das macht mir Angst, sogar richtig Sorgen. Es fällt mir schwer, das Positive zu sehen, auch wenn mir viel Gutes geschieht. Aber die Grundstimmung ist einfach am Ende. Wir müssen geduldig sein, heißt es immer. 

Die richtigen Dinge kommen zur richtigen Zeit.
Alles kommt, wenn die Zeit reif ist.
Geduld ist das Vertrauen, dass alles kommt, wenn die Zeit reif ist.

Ich schaue auf meine Uhr, 9:30, Mittwoch. Gleich kommt das Kind. Ich muss noch Zähne putzen. Morgen ist Feiertag und ich staune, dass ich schon am Mittwoch schreibe, sonst passiert vor Donnerstag nichts. Aber dann schlägt meine To-do-Liste Alarm und ich weiß, ich muss mich zusammenreißen. Weiter machen, aufstehen, hoffen und darauf bauen, dass die Zeit bald reif ist. Erst mal ist aber Zeit für Geheimnisse, denn morgen ist Papa-Tag und so machen wir heute nur noch Sachunterricht. Und natürlich mal wieder das beste draus!

Bleibt dennoch immer leicht&lebendig, Eure Heli


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