Mein Mann, der Stripper
Teil 4 aus: Mein Leben an der Seite eines Triathleten
Plötzlich sind sie wieder da: Sie hängen in Duschen, hinter Türen, im Keller. Riesige schwarze Gummianzüge. Glatt und glänzend, groß und furchteinflößend, wie ein Einbrecher. Sie tauchen an unerwartet an Orten auf, wo sie mich doll erschrecken.
Erst kürzlich blieb mir fast das Herz stehen, als wir beim Umzug unserer Freunde halfen. Ich wollte etwas in den Keller tragen und da hing er steif an einem Rohr: Der triathletische Neoprenanzug, wie ein Geist im Dunkeln. Im Dämmerlicht erschien mir das Ding dermaßen unheimlich, das ich einen Schrei von mir gab, der allen Umzugshelfern im Erdgeschoss das Blut in den Adern gefrieren ließ. Tatsächlich dachten sie , ich hätte eine große Spinne gesehen. Naja ganz so weit hergeholt ist das gar nicht. Immerhin steckt Spiderman auch in einem solchen Anzug.
Superkräfte haben diese Ausdauersportler wohl auch, wenn sie in ihre geschmeidigen Anzüge schlüpfen. Sie schwimmen dann schneller und gleiten besser durchs Wasser. Sie haben „mehr Auftrieb, dadurch liegen wir wie eine Boje höher im Wasser“, erklärte mir mein Mann genauer. Hab ich was gelernt! Was ich auch gelernt habe ist, dass die Sportler:innen unter den Anzügen nicht nackt sind.
Früh aufstehen kann sich lohnen
Das wiederum lernte ich bei meinem ersten Triathlon Wettkampf. Gleich nachdem ich meinen zukünftigen Gatten kennenlernte, nahm er mich mit zu einem solchen Event. Ich musste furchtbar früh aufstehen und war erst mal ein bisschen garstig über diese Tatsache. Denn früh aufstehen und dann noch alleine irgendwo rumstehen und warten gefällt mir überhaupt nicht.
Jetzt war ich aber einmal da, also würde ich mir das auch anschauen. Und wie ich so herumstand, konnte ich natürlich sehr viel beobachten. Meine Aufmerksamkeit erregten in erster Linie die vielen feschen Typen, inklusive meines schönen Drahtmannes. Das ist unter Umständen schon speziell, gemütliche Bäuche oder dicke Pumper-Muskeln gibt es da nicht zu sehen.
Über neckische enge Radlerhöschen pellten sie sich in schwarze, eng anliegende Schwimmanzüge. Alles, wirklich alles war sichtbar. Oberkörperfrei kam mein Superheld (ich musste wieder an Spiderman denken) dann auf mich zu und bat mich, den Reißverschluss an seinem Rücken zu schließen. Wenn er ihn nicht selber schließen kann, wie kommt er dann jemals wieder aus dem Ding raus, fragte ich mich. Aber ich wurde alsbald aufgeklärt.
Ich war ein bisschen in Trance, diese ganzen Männer in den Anzügen machten mich irgendwie nervös. Um mich herum waren schließlich ziemlich viele in diesen Gummihäuten. Ich war entzückt, und das, obwohl das Beste erst noch kommen sollte.
Ab ins Wasser und während sie sich so durch den See pflügten, stand ich ein bisschen gelangweilt am schlammigen Brandenburger Strand und wartete. Ab und zu sprachen mich mal welche an und plauschten mit mir. Sie fragten, zu wem ich gehöre und woher wir uns kennen. Ich berichtete brav und jedes Mal gab es bei dem Namen Robi ein wissendes Nicken. Was wussten all diese Fremden über meinen neuen Liebhaber, was ich noch nicht wusste. Dann wurde ich aufgeklärt. Eine nette ältere Dame sagte: „Wenn du Robi sehen willst, dann musst du gleich hier vorne bleiben.“ Offensichtlich war der Mann schnell im Wasser. Ich gehorchte und fixierte das Ufer, wo die ersten Schwimmer langsam wieder auftauchten.
Striptease Baby
Meine Aufregung wuchs und dann entdecke ich den ersten Schwimmer, wie er aus dem Wasser kam. Ich glaubte meinen Superhelden als Ersten zu erkennen. Konnte das sein? Da riefen schon die ersten Leute: „Das ist Robi! Los, komm Robi. Gib Gas.“ Oh verrückt, sie meinten meinen Robi, oder? Meiner, haha, durfte ich das schon denken? Wir kannten uns erst so kurz, aber hier gehörte ich offenbar zu ihm. Gebannt glotzte ich zum Wasser. Da kam er mit noch drei anderen angeschwommen und entstieg den Fluten. Wie ein Heldentrio. Ich war komplett fassungslos.
Während er also mit einem Zwinkern aus dem Wasser an mir vorbei rannte, zog er sich den Reißverschluss von hinten auf (deswegen auch die lange Schnur) und streifte sich die Gummihaut vom Körper. Das war ein nasser Striptease im Rennen. Alles ging rasend schnell. Staunend sah ich ihm hinterher. Neben und hinter ihm taten es andere auch. Es war wirklich ein Fest für die Sinne, wie sie da patschnass aus dem Wasser rannten und sich auszogen. Nass und glänzend und drunter nur ein winziger Badeschlüpper. Also ehrlich, was hatte ich bis hierhin verpasst.
Immer noch stand ich verwirrt da und schaute zum Wasser, wie viele Stripper wohl noch kommen würden? Aber dann lichtete sich das Feld, es wurden weniger. Und die, die danach kamen, waren nicht mehr so adrett anzusehen. Da wurde ich von der netten Dame gepackt. Sie zog mich zur Wechselzone. „Da ist er Mädchen,“ raunte sie mir zu. Jetzt musste er in seine Rad-und Laufsachen springen. Ich checkte gar nicht, wie schnell das alles ging. Mit einem Handkuss fuhr er lässig an mir vorbei und ich fühlte mich wie ein Groupie. Erst als alle wieder riefen „ROBI, ROBI, ROBI!“ erwachte ich aus meiner Starre. Da begriff ich, was zu tun war. Ich sprang auf, riss die Hände hoch und brüllte aus Leibeskräften seinen Namen. Ein Strahlen huschte über sein Gesicht, dann trat er in die Pedale und verschwand aus meinem Sichtfeld.
Papa mit doppeltem Heldenstatus
Ich weiß nicht mal mehr, ob er gewonnen hat, aber es war einmalig. Mittlerweile, fast zwölf Jahre später, bin ich eine alte Häsin in dem Geschäft. Zwar kennen mich immer noch mehr Leute als ich sie, aber ich weiß, wie es abläuft. Wann ich wohin gehen muss, um zu sehen, was ich will. Und ich weiß auch, wann der richtige Moment zum Anfeuern ist.
Ich kenne den Gesichtsausdruck von „ich kann nicht mehr“ und was dann zu tun ist. Sollten wir jemals zum Ironman-Rennen nach Hawaii fahren, werde ich in der ersten Reihe dabei sein. Ich bin des Gatten größter Fan, natürlich neben unserer Tochter, die ihren Papa auf der Heldenskala ein Stück höher steigen lässt.
Seit diesem ersten Wettkampf freue ich mich immer, wenn ich die Neos irgendwo entdecke, denn es bedeutet: Zeit für Striptease-Wettkämpfe. Es geht übrigens gerade wieder los, denn die Schwimmhallen zum Trainieren sind zu und so müssen die Triathleten draußen in ihren Gummihäuten schwimmen.
Frohes Gucken und bleibt stets leicht&geschmeidig,
Helen
Alle Teile aus meinem Leben an der Seite eines Triathleten gibt es hier:
Teil 1 aus: Mein Leben an der Seite eines Triathleten “Stumpf ist Trumpf”
Teil 2 aus: Mein Leben an der Seite eines Triathleten “Ohne Mampf kein Kampf”
Teil 3 aus: Mein Leben an der Seite eines Triathleten “Das Rad muss mit”
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