Viel mehr als „nur“ Blut

(M)ein kleiner Beitrag über die Befreiung der Periode

Es ist Zeit, über Blut zu schreiben. Es ist Zeit, über die Periode zu schreiben. Für viele ist es immer noch ein „heimliches“ Thema. Hinter vorgehaltener Hand wird die Kollegin nach einem Tampon gefragt, damit es bloß niemand mitbekommt. Im Urlaub nehmen Frauen die Pille durch, damit sie nicht ihre Tage bekommen. Blutige Tampons werden in Hunderte Lagen Klopapier eingewickelt, damit kein Blut zu sehen ist.

Eine Freundin hat bei einem spontanen Übernachtungsdate mal heimlich den Tampon aus dem Fenster geworfen, damit ihr Bett-Partner nicht merkt, dass sie ihre Tage hat. Dabei sollten wir stolz auf das eigene Blut sein. Das Wissen um Zyklus und Fruchtbarkeit muss raus aus dem Hinterzimmer.

Die Menstruation ist unangenehm. Sie ist mitunter abschreckend. Aber vor allem ist sie belegt mit Scham. „Hast du etwa deine Tage?“, werden wir Frauen noch immer abfällig gefragt, wenn wir wütend oder emotional sind. Behaftet mit Vorurteilen und Ekel ist die Menstruation ein großes heimliches Mysterium. Und das in der heutigen Zeit. Ja, auch in Deutschland. Dabei handelt es sich doch um eine existenzielle Funktion des menschlichen Körpers. Nichts ist normaler, notwendiger und gesünder als das monatliche Bluten einer Frau.

Mein Mann ist der Meinung, dass wir bei einem Frauen-Abend mindestens einmal über „unser“ Blut sprechen. Wenn ich ernsthaft in mich gehe hat er recht. Meistens geht es sogar ums Blut genau in dem Moment, wo er den Raum betritt. Er ist Experte geworden, vor allem bei mir.

Andere wissen mehr über mich als ich

Eigentlich ein Wunder, dass ich diese Kolumne seit acht Monaten schreibe und mich noch nicht über Blut ausgelassen habe. Wer also ein Problem damit hat, sollte spätestens jetzt aufhören zu lesen, oder es gerade tun. Denn wer wirklich nicht mit der weiblichen Periode umgehen kann, MUSS das überwinden. Sie gehört zu uns, wie die Minze in den Mojito. Die Menstruation findet statt, egal ob wir es wollen oder nicht. Sie kommt jeden Monat, egal ob wir es schön finden oder nicht. Sie lässt uns bluten, egal ob das „hübsch“ ist oder nicht.

Keiner sollte Angst haben davor und falls doch hilft dagegen nur bedingungslose, ehrliche Aufklärung und Offenheit. Ich möchte einmal einen Mann sehen, an diesen zwei Tagen bevor die Blutung losgeht. Bei mir beginnt es mit einer merkwürdigen inneren Unruhe. Ich weiß nicht wohin mit mir und alles ist falsch. Ich kann dieses Gefühl absolut nicht kontrollieren. Es sind auch alle Menschen um mich herum falsch. Ich lache wahllos, oder fange einfach an zu heulen, nur weil meine Tochter nach Hause kommt und schreit: „Mama, ich hatte Geometrie, das hat voll Spaß gemacht!“

Oft bin ich streitlustig. Dabei bin ich eigentlich ein sehr friedliches Wesen. Ich streite nicht gerne und will auch nicht immer Recht haben. Aber wenn ich anfange mit meinem Mann zu stänkern, er sich provozieren lässt und mich hinterher fragt: „Was wolltest du eigentlich von mir?“, dann wissen wir meistens beide „aaaahhh sie bekommt ihre Periode.“

Anders äußert es sich bei meinen Eltern. Meine Mama spürt es meistens gleich, stellt mir wortlos ein Bier hin und sagt „entspann dich Kind“. Mein Papa hingegen ist dann schrecklich genervt von mir und früher stritten wir häufig während dieser Tage. Heute wundert er sich und fragt meine Tochter: „Warum pöbelt deine Mutter heute so?“ „Ach Opa, Mama bekommt ihre Tage. Sie ist gestern schon dreimal an den Kühlschrank gegangen und hat nichts herausgeholt.“, antwortet sie lässig, wissend. (Paps, wenn du das hier liest, bevor wir uns nachher sehen: Ich bekomme meine Periode:))

Akzeptieren statt Ignorieren

In diesen zwei Tagen übernehmen meine Hormone die Kontrolle. Die Gebärmutter richtet sich jeden Monat neu ein: Sie räumt auf, putzt, streicht vielleicht die Wände neu, sie macht sich bereit für einen neuen Mitbewohner oder eine neue Mitbewohnerin, sie ist willig nicht mehr allein zu sein. Sie möchte sich kümmern und jemanden behüten. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und dann geht es los. Sie ist feucht und schlüpfrig und voller Schleim und Glibber. „Los kommt schon, ihr kleinen Schätzelein“, ruft sie am Eingang durch den Tunnel nach draußen. Ein bis drei Tage, manchmal mehr oder weniger kann die arme Gebärmutter ihre Freude aufrecht erhalten, dann sinkt langsam die Stimmung, denn es kommt keiner, kein Mitbewohner. Die ganze Arbeit umsonst.

Der Eisprung ist vorbei, die fruchtbare Zeit auch. Die Gebärmutter ist frustriert, sie beginnt alles wieder abzubauen, sie macht nicht mehr sauber und kümmert sich auch nicht um den schönen Schleim, der wird zäh und trocken. Irgendwann hat sie die Nase voll von dem Dreck und haut alles raus. Sie reißt die Wände ab und schmeißt den ganzen Schladderadatz durch die Vagina nach draußen: Hello Menstruation!

Die Wut und Enttäuschung der Gebärmutter spüren wir am allerbesten. Wir sind schwächer und anfälliger, können sogar häufiger krank werden. Aber vor allem sind wir eins: Emotionaler. Je mehr wir gegen diese Phase der Besinnung und Reflektion ankämpfen und einfach weiter wie immer „funktionieren“ desto schlimmer wird es.

Mein Mann weiß das. Meine Tochter weiß das. Schon früh habe ich mit ihr gemeinsam blutige Tampons angeschaut. Später auch den Inhalt der Menstruationstasse. „Das ist ja gar nicht nur Blut“, wunderte sie sich anfangs. Ich erklärte ihr, dass es sich um mehr als „nur“ Blut handelt. Das wenigste ist tatsächlich Blut. Es ist viel mehr abgestorbenes und ungenutztes Gewebe. Immerhin wollte sich die Gebärmutter ja häuslich einrichten.

Mein Kind ekelt sich nicht. Mein Mann auch nicht. Wenngleich er sich den blutigen Inhalt noch nie richtig angeschaut hat. Manchmal verdreht er die Augen, wenn ich wieder über mein Blut spreche. Aber ich verdrehe ja auch nicht die Augen, wenn er mit seinen Kumpels über Triathlon redet. Die Hälfte der Menschheit blutet eben einmal im Monat. Das sind mehr als Triathlon machen!

Blut ist ROT

Und Blut ist übrigens rot. Klar, dass ich darauf jetzt auch noch herumreiten muss. Aber selbst meine Tochter regt sich jedes Mal über die Werbung auf. „Rot ist doch eine schöne Farbe, warum ist es blau in der Binde?“ Ich kann es nicht sagen. Ich frage mich wirklich, wann die erste Werbung realistisch dargestellt wird. Um mit der Tabuisierung aufzuräumen hat die Fotografin Franziska Lange das Projekt „How we bleed“ ins Leben gerufen.

Im Zuge ihrer Bachelorarbeit hat sie Frauen dazu aufgefordert Fotos ihrer Periode zu machen. Es entstand ein visuelles Lexikon für ein Thema, über das nicht gerne geredet und das noch weniger gezeigt wird:

„Ganz viele Frauen haben die Scham, darüber zu reden tief verinnerlicht. Mit diesem Projekt kann man sich anonym am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Das Feedback, das ich bekomme, ist: Endlich kann ich meine Menstruation zeigen und mich irgendwie beteiligen an der Diskussion. Und ich habe das Gefühl, ich tue was. Meine Menstruation kriegt einen höheren Sinn.“

Hätten Männer ihre Periode, wären sie nicht nur einmal im Monat krank, sondern würden ihr Blut auch zur Schau stellen. So wie sie ihre Potenz auch ständig betonen müssen. Wir sind so geprägt, dass blutige Binden, vollgesaugte Tampons und gefüllte Menstruationstassen Ekel hervorrufen, aber warum eigentlich? Franziska Lange sagt dazu Folgendes:

„Wir müssen lernen: Menstruation ist keine Wunde und Menstruation ist kein Krieg. Wir sind so gepolt, dass wir beim Anblick von Blut erst mal an Gefahr denken. Aber diese Art von Blut bedeutet keine Gefahr. Wir müssen verstehen, dass es ein gutes Blut gibt. Das lernen wir nur, wenn Bilder der Periode als normales Motiv in der Gesellschaft verankert werden und wir uns daran gewöhnen.“

In diesem Sinne lasst es raus, lasst euch nicht belächeln, sprecht darüber, auch vor den Vätern eurer Freundinnen (das mache ich jetzt), vor Nachbar:innen und vor all denen, die meinen, „also darüber spricht man doch nicht“. Dann erst recht! Menstruation muss normal werden und vor allem rot!

Bleibt offen und leicht&lebendig,
Eure Heli


Mehr Informationen zu How we bleed gibt es hier.


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Illustration © Sophie Schäfer

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„Er hat es nicht immer leicht“